Die Historie der
Hoechst AG |
1863 |
Am 4. Januar
gründeten Carl Friedrich Wilhelm Meister, Eugen Lucius und Ludwig August
Müller mit anfangs fünf Arbeitern die "Teerfarbenfabrik Meister,
Lucius & Co." in Höchst am Main. Obwohl die Gründer Bürger
der Freien Stadt Frankfurt waren, gründeten sie ihr Unternehmen im
benachbarten Herzogtum Nassau, das im Gegensatz zum industriefeindlichen
Handels- und Finanzzentrum Frankfurt die Ansiedlung von Industriebetrieben
förderte. Erstes Produkt ist der blau-violette Farbstoff "Fuchsin", im
gleichen Jahr folgt ein lichtechtes "Aldehydgrün". Beide Produkte bilden
das Fundament für die erfolgreiche Firma. |
1865 |
Die Firma nennt
sich nun "Farbwerke Meister, Lucius & Brüning". Beim Wettlauf um die
Herstellung des künstlichen Indigos mischte das Unternehmen an vorderster
Linie mit. Die Fabrik stellte zunächst die in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts so bezeichneten Teerfarben her. Diese waren im Gegensatz zu
anderen damaligen Farbstoffen wie Indigo oder Krapp kostengünstig aus dem
Steinkohlenteer, einem Abfallstoff der Kokserzeugung, zu gewinnen. Als es
gelang, die französische Kaiserin Eugénie als Kundin zu gewinnen
und an die Textilindustrie in Lyon große Mengen der Höchster
Farbstoffe zu liefern, brachte dies den Durchbruch für das
neugegründete Unternehmen. |
1869 |
Ein neues
Werksgelände wird erschlossen auf dem der erste künstliche Farbstoff
"Alizarin" hergestellt wird. Da die Arbeiter total verfärbt nach Hause
kommen, wird auch ein Bade- und Waschhaus gebaut. |
1874 |
Auch schon damals
galt, was auch heute noch wichtig ist: will man gute Mitarbeiter an sich
binden, muß man für diese etwas tuen. So wurde eine Hilfskasse
für erkrankte Arbeiter (Betriebskrankenkasse) eingerichtet, die auch die
soziale Sicherung der Arbeiter und ihrer Angehörigen bei Unfall,
Invalidität, Berufskrankheiten, Alter und Tod übernahm. Der
Werksärztliche Dienst war ein Pionier in der Erforschung von
Berufskrankheiten. 1874 bis 1875 entstanden die ersten Arbeiterwohnungen. 1879
richtete Brüning die Kaiser-Wilhelm-Augusta-Stiftung ein, eine
Pensionskasse für Höchster Arbeiter, die auch Hypothekendarlehen
für den Hausbau gewährte. |
1879 |
Das Werk
erhält Anschluß an das preußische Eisenbahnnetz. Im Werk
selbst ziehen noch Pferde die Schmalspurbahn. Hoechst richtete die
Kaiser-Wilhelm-Augusta-Stiftung ein, eine Pensionskasse für Höchster
Arbeiter, die auch Hypothekendarlehen für den Hausbau gewährte. |
1883 |
Mit der technischen
Synthese des fiebersenkenden und schmerzstillenden Antipyrin startet die
Herstellung von Arzneimitteln. |
1885 |
Die Kunden
erhalten auf Grund des guten Gewinns eine Rückvergütung. |
1888 |
Die AG wird
erstmals an der Börse notiert. |
1894 |
Neben Farbstoffen
werden auch Arzneimittel hergestellt. Emil von Behring entwickelt ein Serum
gegen Diphterie, drei jahre später folgen "Antitoxin" gegen
Wundstarrkrampf und das fiebersenkende "Pyramidon". Aber auch die Fabrik
wird moderner: statt Gasbeleuchtung gibt es nun Elektrizität.
Allmählich ersetzen Elektromotore die Dampfmaschinen. |
1904 |
Kraftfahrzeuge
anstelle von Pferdewagen werden nun angeschafft - alles Elektrowagen. Ab 1907
folgen die ersten Benzinautos und das Management erhält einen
Horch-PKW. Die Farbwerke Hoechst bildeten zusammen mit den
"Cassella Farbwerken" durch wechselseitige Kapitalverflechtungen und
Lieferbeziehungen den Zweibund, der 1907 durch den Beitritt der
"Chemischen Fabrik Kalle" in Biebrich zum Dreibund wurde. Eine Vorstufe
der
"I.G.Farben".
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1909 |
Rezepte für
die Arzneien, Musterkarten für die Färberei - alles wird nun in einer
eigenen Hausdruckerei gedruckt. |
1910 |
Paul Ehrlich
entwickelt das Medikament "Salversan". Diese Arsenverbindung ist hochwirksam
gegen Syphilis. |
1913 |
Das Unternehmen,
das noch immer mehrheitlich im Besitz der Gründerfamilien war, hatte einen
Weltumsatz von 100 Millionen Reichsmark. Es beschäftigte allein in
Höchst rund 9.000 Mitarbeiter. |
1916 |
Mit anderen Firmen
zusammen werden die
"I.G.Farben"
gegründet. Eine Interessengemeinschaft, die besonders die deutsche
Chemieindustrie gegen US-Firmen stärken soll. |
1921 |
Eine neue Sparte
entsteht: Düngemittel und Pflanzenschutzmittel |
1925 |
Nach langen Jahren
des Hin und Her ist es soweit: die
"I.G. Farben
AG" entsteht. Firmensitz wird Frankfurt. Mehr als 10.000 Mitarbeiter
zählt das neue große Kartell. Die I.G. Farben konzentrierte ihre
Investitionen in neue Produkte, wie Buna, Fischer-Tropsch-Synthese und
Kunstfasern, auf die neuen mitteldeutschen Werke, wo mit der Braunkohle eine
günstige Rohstoffbasis verfügbar war. Das traditionelle Stammwerk der
Farbwerke Höchst geriet dadurch etwas ins Abseits, der Umsatz stagnierte
und die Beschäftigtenzahl ging zurück. Das Werk bildete zusammen mit
kleineren Standorten im Rhein-Main-Gebiet die Betriebsgemeinschaft
Maingauwerke. |
1930 |
Die organische
Chemie trumpft nun auf. Fluor-Polymerisationskunststoffe werden unter dem Namen
"Hostaflon" entwickelt. |
1945 |
Um die lästige
deutsche Kunkurrenz auszuschalten, werden die "I.G.Farben" von den Amerikanern
aufgelöst. |
1951 |
Die Amerikaner
geben "Hoechst" wieder frei. Es entstehen die Farbwerke Hoechst AG.
Die Farbwerke beschäftigten 15.000 Menschen in der Muttergesellschaft und
fast 27.000 im Konzern. Der Umsatz betrug etwa 750 Millionen DM, wovon etwa 20%
im Export erzielt wurden. Das Grundkapital von anfangs nur 100.000 DM war
später rückwirkend auf 285,7 Millionen festgelegt worden, auf die man
nun eine Dividende von 4% zahlte. Damit waren die Farbwerke Hoechst neben
BASF und
Bayer der
kleinste der drei großen I.G. Farben-Nachfolger. |
1963 |
Die Farbwerke
Hoechst AG hat wieder über 100 Auslandsvertretungen und
beschäftigten 63.000 Mitarbeiter, darunter 8.000 im Ausland, und
erwirtschaften einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden DM, davon 41% in über
70 Ländern außerhalb Deutschlands. 230.000 Aktionäre, darunter
etwa 20.000 Belegschaftsaktionäre, teilten sich das Grundkapital von 770
Millionen DM. Die Dividende war auf 18% gestiegen, doch lag die
Eigenkapitalbasis und die Rentabilität deutlich unter der vergleichbarer
amerikanischer Unternehmen. |
1967 |
Eine neu
Pharmaproduktion wird für 60 Mill DM gebaut. Außerdem wird die erste
europäische Großkläranlage eingeweiht. |
1970 |
Die Farbwerke
Hoechst führten die 40-Stunden-Woche ein. Ca. 145.000 Mitarbeiter
waren im Hoechst-Konzern beschäftigt und erzielten einen Jahresumsatz von
13,6 Milliarden DM |
1974 |
Das Unternehmen
änderte seinen Namen von "Farbwerke Hoechst AG vormals Meister Lucius
& Brüning" in Hoechst Aktiengesellschaft. Im selben Jahr
übernahm Hoechst 56% des französischen Pharmaunternehmens
Roussel-Uclaf. 1975 legte Hoechst seine eigenen petrochemischen Anlagen zur
Äthylenversorgung still und beteiligte sich mit einem Viertel der Anteile
an dem Raffinerieunternehmen "UK Wesseling". Für die Rohstoffversorgung
der Werke Höchst und Kelsterbach sorgte seitdem eine Pipeline, die von
Rotterdam aus den Rhein entlang bis Ludwigshafen führt. |
1979 |
Ein neues
Forschungszentrum wird gebaut für die mehr als 10.000 Mitarbeiter in der
Hoechst-Forschung. |
1982 |
Kuwait
übernahm eine Beteiligung von ca. 25% an der Hoechst AG. Bei der
französischen Tochtergesellschaft "Roussel-Uclaf", die nach dem Willen der
linken französischen Koalitionsregierung verstaatlicht werden sollte, kam
es zu einer Einigung auf dem Verhandlungsweg. Hoechst musste seine Beteiligung
von 57,9% auf 54,5% reduzieren. |
1984 |
Hoechst trennt sich
von der Beteiligung an "UK Wesseling" und übernahm alle Anteile der
"Ruhrchemie" in Oberhausen. Im Stammwerk wurde nach 60 Jahren die
Düngemittelproduktion aus Ammoniak und Salpetersäure stillgelegt. Bis
dahin hatte die gelbe Rauchfahne der Salpetersäurefabrik ein Wahrzeichen
des Werkes Höchst gebildet. Durch die Stillegung verbesserte sich die
Luftqualität in Höchst beachtlich, da die Emissionen an Stäuben
und Stickoxiden um 90% zurückgingen. Die bisher Angestellten
vorbehaltene Pensionskasse wurde auch für Arbeiter geöffnet. 80%
nutzen das neue Angebot. |
1987 |
Hoechst kaufte
für über 5 Milliarden DM das US-amerikanische Chemieunternehmen
"Celanese Corporation" und verschmolz es mit der Landesgesellschaft "American
Hoechst" zur "Hoechst Celanese Corporation". Es handelte sich zum damaligen
Zeitpunkt um die größte Auslandsinvestition eines deutschen
Unternehmens. Nach der Übernahme erreichte der US-Markt mit 25% des
Konzernumsatzes von 37 Milliarden DM die gleiche Größenordnung wie
der deutsche Markt. Mit der Übernahme erreichte Hoechst vor allem bei
technischen Fasern und organischen Chemikalien eine stärkere
Marktposition. |
1990 |
172.900 Mitarbeiter
produzierten einen Jahresumsatz von 44,862 Milliarden DM. Die Anteile am
Kosmetikhersteller "Schwarzkopf" wurden von 49% auf 77% erhöht, an dem
Phosphathersteller "BK Ladenburg" von 50% auf 100%. |
1994 |
"Hoechst" gibt
sich eine neue Organisationsstruktur. In der Nordhälfte des Werkes werden
138 Gebäude abgerissen, dadurch entstehen 10 Hektar frei Fläche.
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1995 |
Übernahme des
US-Arzneimittelkonzerns "Marion Merell Dow". Im Gegenzug werden die
Kosmetiktöchter "Schwarzkopf", "Jade" und "Marbert" verkauft. |
1996 |
Hoechst
beschleunigt den Konzernumbau. Die Pharma-Aktivitäten werden in der
Tochter "Hoechst Marion Roussel" (HMR) gebündelt. Das
Spezialchemiegeschäft wird in die Schweizer "Clariant AG" eingebracht, an
der Hoechst 45% hält. Erstmals Börsennotierung in New York. |
1997 |
Der
"Hoechst-Industriepark" öffnet sich für firmenfremde Unternehmen
|
1998 |
Im Rahmen der
Konzentration des Hoechst Konzerns auf die Geschäftsfelder Gesundheit und
Ernährung übergibt Hoechst alle Chemieaktivitäten der "Celanese
AG". Die Celanese Gruppe, die mit rund 15.000 Mitarbeitern weltweit einen
Umsatz von 9,6 Milliarden DM erzielte, wird zu den führenden Unternehmen
der industriellen Chemie zählen. Am 1.12. gehen "Hoechst" und
"Rhône-Poulenc S.A." zusammen und gründen die "Aventis S.A." in
Strasbourg. |
1999 |
Hoechst brachte das
in der "Celanese AG" zusammengefasste Chemiegeschäft an die Börse und
fusionierte mit "Rhône-Poulenc" zu "Aventis". Das fusionierte Unternehmen
hatte seinen Sitz in Straßburg und war an der Pariser Börse notiert.
Die Pharmasparte des Konzerns, die "Aventis Pharma AG", hatte ihren Sitz in
Frankfurt/Main, die Pflanzenschutzmittelsparte "Aventis Crop Science S.A." in
Lyon. Die Hoechst AG blieb als Zwischen-Holding erhalten und
bündelte alle deutschen Tochtergesellschaften von "Aventis". Die Aktie
blieb weiterhin in Frankfurt notiert, wurde jedoch nur noch wenig gehandelt, da
weniger als 4% außenstehende Aktionäre verblieben waren. Die Marke
Hoechst, die traditionell an vielen Apotheken zu sehen war, wurde nach und nach
zugunsten des neuen Aventis-Firmenzeichens aufgegeben. |
2003 |
"Aventis" verkauft
die Pflanzenschutzsparte des Konzerns an die "Bayer AG". Daraus entstand der
Teilkonzern "Bayer CropScience". "Aventis" war seitdem ein reines
Pharmaunternehmen. |
2004 |
"Aventis"
fusionierte mit dem französischen Pharmakonzern "Sanofi-Synthelabo".
Formal war die Übernahme eine Fusion unter Gleichen, tatsächlich war
es eine feindliches Übernahme von "Sanofi-Synthelabo". Obwohl
"Sanofi-Synthélabo" deutlich kleiner als "Aventis" war, hatte das
Unternehmen wegen seines schnellen Wachstums eine hohe Bewertung an der
Börse und befand sich in einer relativ sicheren Ausgangsposition, da es
mit "L'Oréal" und "Total" zwei Großaktionäre hatte, die die
Übernahme unterstützten. Zudem hatte auch die französische
Regierung das Fusionsvorhaben begrüßt, um auf diese Weise einen
weiteren französischen europäischen Champion zu schaffen. Die
deutsche Regierung überließ - wie so oft - auch hier wieder den
Franzosen das Feld. Das neue Unternehmen "Sanofi-Aventis" wurde zum
größten Pharmaunternehmen Europas. "Sanofi-Aventis" beschloss nach
der Übernahme, die verbliebenen Hoechst-Aktionäre abzufinden und die
Hoechst AG von der Börse zu nehmen. Auf der letzten
Aktionärssitzung von Hoechst am 21. Dezember 2004 in Wiesbaden wurden die
restlichen 2% Aktien von Kleinaktionären an "Aventis" zu je 56,60
verkauft. "Sanofi-Aventis" übernahm das gesamte Grundkapital von Hoechst
und sagte die für den 29. Juli geplante Hauptversammlung ab. Im Oktober
2005 wechselte Hoechst die Rechtsform von einer Aktiengesellschaft in eine
GmbH. Die Hoechst GmbH ist heute eine Zwischenholding innerhalb der
Sanofi-Aventis-Gruppe ohne operative Geschäfte. |