Wenn heute ein Anleger Aktien kauft, so ist dies für ihn erstmal nicht mit Steuern verbunden - beim
Verkauf dann schon. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Kapitalgesellschaften gegründet
wurden, musste der Staat entsprechende Aktiengesetze erlassen, damit hier alles in geordneten Bahnen
verlief. Hierzu führte - wer sonst - das besonders aufstrebende Preußen 1843 ein neues Aktiengesetz
ein. Hiermit wurden auf die Aktien bzw. Wertpapiere Steuermarken geklebt bzw. ein besonderer
Steuerstempel aufgedrückt. Auch andere Finanzinstrumente - wie Wechsel - wurden mit einer Steuer
belegt.
Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 mußte nun erstmals in Deutschland der Staat zentrale
Staatsaufgaben finanzieren (Vor 1871 gab es ja ein Deutschland noch nicht, aber dafür eine Menge
unterschiedlicher deutscher Kleinstaaten, die alles getrennt selbst regelten). Nach der
Reichsgründung weigerten sich die Einzelstaaten die Steuern auf Einkommen oder Besitz mit dem
Reich zu teilen. Dadurch waren die Steuereinahmen der neuen zentralen Regierung ziemlich eingeengt.
Nur Einnahmen aus Zöllen, Wechseln, Alkohol und Postdiensten waren vorhanden. Immerhin verpflichteten
sich die einzelnen deutschen Staaten den Haushalt des Reiches durch Zuschüsse auszugleichen. Aber
der aufstrebende Zentralstaat braucht mehr Einnahmen. So wurde 1881 die Reichsstempelabgabe
mit der Zielsetzung eingeführt, den Kapitalverkehr zu besteuern. Dies betraf aber nicht nur
Wertpapiere, sondern auch Lotterielose und Wetten und Devisengeschäfte.
Aber die Zentralregierung brauchte immer mehr Geld. Besonders das Militär verschluckte große Summen
und der Aufbau eines Kolonialreiches sowieso. So mußte das Stempelgesetz ständig erweitert werden und
erfaßte nun auch Fahrkarten, Frachtbriefe, Autoführerscheine uva.
Die Besteuerung der Wertpapiere war bis 1913 wie folgt geregelt:
- Kuxen, Anleihen und Aktien waren grundsätzlich zu besteuern
- nicht zu besteuern waren Anteile von Gesellschaften für gemeinnützige Zwecke
- gab der Staat Wertpapiere heraus, so waren diese ebenfalls von der Steuer befreit
- die Steuersätze betrugen: Wertpapiere 3%, Kuxen 5 Mark/Schein, Schuldverschreibungen 2%.
Wurde die Steuer entrichtet, erhielt das Wertpapier einen roten Stempel. Die Farbe wurde vermutlich ausgewählt, da sie gut sichtbar ist und einen hohen Signalwert hat. Auch heute noch gehört Rot neben Schwarz und Blau zu den beliebtesten Stempelfarben. Eine eigene Bedeutung hat die Farbe des Stempels jedoch nicht. Bei der Auswahl der Stempelfarbe wird darauf geachtet, ob bestimmte Kriterien erfüllt werden, beispielsweise ob sie dokumentecht, schnelltrocknend oder lichtbeständig ist. Der Farbton kann frei gewählt werden. Die Stempelform änderte sich
mit der Zeit. Zunächst gab es rechteckige Stempel mit Reichsadler und Kreisumschrift
"Reichs-Stempel-Abgabe". Eine Ziffer im Stempel zeigte die stempelnde Behörde an. Später wurde der
Steuersatz hinzugefügt.
Ab 1887 wurde ein runder Stempel eingeführt mit einem Durchmesser von 31mm mit Reichsadler und
Stempelbehörde. Eine Umschrift zeigte die Stempelbehörde und den Steuersatz. Da der Steuersatz oftmals
geändert wurde - und dadurch immer neue Stempel erzeugt werden mußten - fiel ab 1909 der Steuersatz
weg und wurde durch das Wort "versteuert" ersetzt.
Ab 1900 wurden auch erstmalig Kuxscheine der Steuerabgabe per Stempel unterworfen. Hier war aber
eine Stempelsteuer per %-Satz nicht möglich, da die Kuxen ja keinen Nennwert haben. Der Stempel hatte
deshalb einen festen Betrag.
Mit der Novellierung des Stempelgesetzes 1909 konnten nun erstmals auch einige ausgewählte Druckereien
die Stempelgebühr selbst einziehen. Das waren z.B. die Berliner Reichsdruckerei,
die Fa. Giesecke & Devrient und die Fa. Dumont-Schauburg.
Mit der Auferlegung der enormen Reparationsforderungen der Sieges des Weltkrieges I (vorallem
Frankreich, Belgien und England), mußte das Deutsche Reich seine Steuergesetzgebung ändern.
So wurde das Stempelgesetz fallen gelassen. An dessen Stelle traten dann Einzelsteuergesetze,
die auch heute noch vorhanden sind - z.B. Kapitalverkehrssteuergesetz, Lotteriegesetz, KFZ-Gesetz
und das Versicherungsgesetz.
Das neue Kapitalverkehrssteuergesetz bestand aus 3 Teilen
- Gesellschaftssteuer
- Wertpapiersteuer
- Börsenumsatzsteuer
Zwischen 13.5.1922 und 31.12.1927 mußten "aus Gründen der Steuersicherheit" alle neu ausgegebenen
Aktien folgenden Vermerk tragen: "Den Vorschriften des KVSTG über die Gesellschaftssteuer ist nach
Bescheinigung des Finanzamtes X vom Datum ... genügt". Nur Schuldverschreibungen mußten eine
Stempelgebühr vertragen. Ab 1931 aber auch diese nicht mehr.
Hier eine kurze Liste der Codenummern auf dem Stempel für die entspr. Finanzämter (diese
Nummerierung wurde aber teilweise auch geändert).
Stempelnr.
|
Finanzamt
|
|
Stempelnr.
|
Finanzamt
|
|
Stempelnr.
|
Finanzamt
|
1
|
Aachen
|
|
13
|
Dresden
|
|
33
|
Königsberg
|
2
|
Augsburg
|
|
14
|
Duisburg
|
|
34
|
Leipzig
|
3
|
Berlin
|
|
15
|
Düsseldorf
|
|
36
|
Magdeburg
|
6
|
Bremen
|
|
18
|
Flensburg
|
|
38
|
Mannheim
|
7
|
Breslau
|
|
19
|
Frankfurt
|
|
41
|
München
|
9
|
Chemnitz
|
|
21
|
Freiburg
|
|
43
|
Nürnberg
|
11
|
Darmstadt
|
|
26
|
Halle
|
|
47
|
Rostock
|
12
|
Dortmund
|
|
27
|
Hamburg
|
|
51
|
Stuttgart
|
|
|
|
30
|
Karlsruhe
|
|
54
|
Wiesbaden
|
|