 Tonwarenindustrie
Wiesloch Bestell-NR.: DM270
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 Tonwarenindustrie
Wiesloch Bestell-NR.: DM271
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 Tonwarenindustrie
Wiesloch Bestell-NR.: DM272
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In der Wieslocher Ebene gab es viel Ton, aber vielleicht
auch Erdöl. Der Bergingenieur Ludwig Schweizer suchte danach und entdeckte
das Tonvorkommen. 1895 ersuchte er die Geminde Wiesloch um das Abbaurecht; am
2.5.1896 erhielt er den Vertrag. Die Bedingung dabei war: die Fabrik musste in
der Gemeinde verbleiben. Im Gegenzug erhielt er das "immerwährende
unfallbare Recht" zum Abbau. Wenig später verkaufte er das Abbaurecht
an Hartmann. Der gründete zusammen mit dem Steinzeug-Spezialisten Otto
Hoffmann und den Berliner Bankiers Bonte die Firma. Am 5.8.1895 wurden auch
Dachziegel produziert. |
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Das
Gründungskapital von 360 000 RM wurde 1897 wie folgt aufgebracht:
Heinrich Hartmann, Architekt, Mannheim = 175 000 RM Firma Wehrle &
Hartmann, Mannheim = 50 000 RM Otto Hoffmann, Mannheim = 15 000 RM
Heinrich Oppenheimer, Kaufmann, Mannheim = 60 000 RM Felix, Moritz,
Friedrich Bonte, Bankiers, Berlin = je 20 000 RM |
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1900 erfolgte die
Umwandlung in eine AG; die Firma hatte 88 Mitarbeiter und produzierte 6.6 Mill
Dachziegel. 1902 produzierten 313 Mitarbeiter bereits 13 Mill Stück. |
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Tongrube Kinderarbeit und Gesicher, auf denen die Arbeit Spuren
hinterlassen hat. Hartmann starb 1905, sein Vermögen ging auf in die
"Hartmannstiftung" über, die 1936 in einen Wohlfahrtsverein umgewandelt
wurde. Dieser zahlt auch heute noch an ehemalige Mitarbeiter. Das Vermögen
der Stiftung betrug 35 000 RM und wuchs jährlich, denn der Gewinn ging
zuerst an den Wohlfahrtsverein und erst dann an die Aktionäre. Bis Ende
1960 kamen so 250 000 DM zu stande. Am 22. Juni 1916 wurde die Firma durch
ein Feuer fast total zerstört. 1918 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen -
bedingt durch den Weltkrieg I. Bereits 1920 hatte die Firma wieder ihren alten
Stand erreicht. |
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Die Inflation in
den 1920ern machte viele Mühen wertlos. so auch den Bilanzgewinn von 537
Billiarden Mark. Daraufhin erfolgte am 1.1.1924 die Umstellung auf Goldmark bei
einem Eigenkapital von 1.972 Mill RM. Vier Jahre später - 1928 - kam die
Wirtschaftskrise und ein langer harter Winter. Da der Ton damals unter freiem
Himmel gelagert wurde, musste die Produktion fasst 5 Monate ruhen. Das brachte
fast das Aus. Doch Hilfe kam aus der deutschen Pfalz. Die Firma Carl Ludowici
aus Jockrim besass 6 Dachziegelwerke und kaufte nun die Aktienmehrheit. Der
Geheimrat Ludowici besass mehrere Patente, so auch das auf den auch heute noch
gebräuchlichsten Falzziegel Z1. |
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Wilhelm Ludowici
erbte das Ziegelwerk von seinem Vater, der bei einem Sturz vom Ziegeldach ums
Leben kam. Wilhelm`s Hobby waren Ausgrabungen rund um Jockrim. Die hohe
Funddichte römischer Scherben brachte Ludowici überhaupt erst auf die
Idee, dass dort gute Tonlagerstätten sein könnten. Die gute
Qualität der Ziegel sorgte sogar für den Export nach Ostpreusen und
Schlesien. |
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Der Weltkrieg II
stoppte den Aufschwung. Am 22. März 1945 wurden die Werksanlagen durch
einen Bombenangriff zerstört. Für die 288 Beschäftigten
wurde ein Gemeinschaftsraum errichtet. Während der NS-Zeit durfte
natürlich die NS-Fahne nicht fehlen. Nach der Zerstörung durch
Bomben, wurde 1947 der erste Brennofen wieder in Betrieb gesetzt und 1951
folgte der zweite. |
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Am 28. Juni 1950
konnte das 50 jährige Jubiläum gefeiert werden. |
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Mit der
Tonwarenindustrie Wiesloch ging es steil aufwärts nach dem Kriege,
schliesslich mussten viele Häuser und Gebäude neu gedeckt werden. So
wurde 1954 für 1.2 Mill DM das grösste deutsche Tonsilo mit einem
Fassungsvermögen von 19.000 cbm gebaut. Einen erzwungenen
Produktionsstillstand wie 1928 sollte es nicht mehr geben. |
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Mitte der 1960er
Jahre wird ein "zweites Standbein" gesucht. Es wird nun auch Hartschaum als
Dämmstoff produziert. Der Baustoffproduzent Rudolf Brass aus Bad Homburg
erwirbt 1970 die Aktienmehrheit von TIW. |
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Der Vorstand denkt
über einen Rückzug aus dem Tonziegelgeschäft nach und
gründet eine Grundstücksgesellschaft. 1984 erwirbt die I.G. Farben
i.L. rund 30 % der Aktien und kontrolliert danach die AG mehrheitlich..
Rudolf Braas ist inzwischen wieder ausgestiegen. 1989 kommt das Aus; die
Schulden betragen 20 Mio DM. Die Stadt Wiesloch kauft für 40 Mio DM die
Tongrube und will sie als Mülldeponie benutzen. Mit diesem Geld werden die
Schulden getilgt und der Rest in Aktien angelegt, die von der TIW Beteiligungs-
und Grundbesitz AG mit Sitz in Frankfurt/Main verwaltet werden. Damit war
die Ziegelproduktion am Ende - aber mit einer neuen Idee ging es weiter. Der
AG-Titel wurde günstig von der Marseille-Kliniken GmbH gekauft. Die wollte
unbedingt eine Aktiengesellschaft werden, denn nur so floss genug Geld für
Erweiterungen. Rückblickend betrachtet, war TIW eine soziale Firma.
Das Management erkannte, dass eine Aktie nicht allein den Wert des Unternehmens
darstellte, sondern auch die Motivation und die Kompetenz der Mitarbeiter. So
gab es Werkswohungen, eine Betriebskrankenkasse und auch eine Betriebskantine
(seit 1900) - die sorgte selbst in den Jahren der Wirtschaftskrise immer
für ein warmes Essen. |
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Auf die
Betriebskrankenkasse kann man heute neidisch zurückblicken. Bis 1949
betrug der Beitragssatz nur 2%, ab 1.6.1949 dann 5%, wobei wie heute der
Arbeitgeber 50% trug. Es gab freie Arztwahl, freie Arzneimittel. Durch den
drastischen Personalabbau 1974 wurde die eigene Krankenkasse aufgelöst und
alle kamen zur AOK. |
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Die
Marseille-Kliniken - Statt Tonziegel nun Kranke 1984 eröffnete der
Bremerhavener Kaufmann Theo Marseille und Ulrich Hansel in Langen/Niedersachsen
den ersten Seniorenwohnpark. Die Geschäfte gingen gut - besonders durch
die deutsche Wiedervereinigung. Hier wurden zwischen 1991 - 1994 zwanzig der
ehemaligen "Feierabendheime" übernommen - viele in sehr schlechtem
Zustand. |
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Als zweites
Standbein wurde 1991 die medizinische Rehabilitation eingeführt, mit der
Teufelsbadklinik in Bad Klosterlausitz/Thüringen und in Blankenburg/Harz.
1994 wurde ein Umsatz von 94 Mill DM erzielt. Um aber noch weiter nach vorn
stossen zu können, musste externes Geld her - am besten von
Aktionären. Deshalb erfogte am 10.Juni 1994 der Kauf der TIW. Die TIW
selbst war natürlich uninteressant, wichtig war der vorhandene AG-Titel.
Denn eine neue AG zu gründen kostet viel - eine praktisch nur noch auf dem
Papier existierende AG zu kaufen, die dann umzubenennen beträchtlich
weniger. Der Name der TIW wurde dann auch schnell in Marseille-Kliniken AG
geändert. Am 1. Juni 1996 erfolgte über eine Kapitalerhöhung das
Einbringen aller Marseille-Unternehmen. Heute bietet das Unternehmen ca. 3
600 pflegebedürftigen Menschen ein zuhause, hinzu kommen nochmals ca. 2
000 Betten in 12 Rehabilitationskliniken (40 % des Umsatzes). Ein drittes
Standbein - Akut Krankenhäuser - sollen hinzukommen. Qualifizierte
Pflegeleistung, medizinische Rehabilitation, akut Krankenhäuser - aber
nicht nur für die, denen ein Dachziegel auf den Kopf fiel. |